13. Mar 2025 • Allgemein 

Aus unserer Arbeit: Diskriminierung einer Behörde gegenüber Antragstellenden aus Afghanistan

In der Rubrik „Aus unserer Arbeit“ veröffentlichen wir in regelmäßigen Abständen anonymisierte Fälle aus unserer Beratungsarbeit als Einblick in die Antidiskriminierungsberatung in Sachsen. Wir danken allen Ratsuchenden, die bereit sind, ihre Erfahrungen anonym in der Öffentlichkeit zu teilen!
Weitere Fälle finden Sie auf unserer Webseite unter
"Beratung".

Der Fall

Der Ratsuchende beantragte im März 2023 eine Änderung des Familienstandes bei einer Behörde. Trotz regelmäßiger Nachfragen in den letzten 14 Monaten erhielt er lediglich die Information, dass eine intensive Prüfung seiner Unterlagen erforderlich sei und Antragsteller*innen aus Afghanistan mit längeren Bearbeitungszeiten rechnen müssten. Weitere Details zur Prüfung oder Gründe für die längere Bearbeitungsdauer wurden ihm nicht mitgeteilt.

Rechtliche Einschätzung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Menschen vor Diskriminierungen im Bereich Beschäftigung und bei privaten Rechtsgeschäften wie Mietverträgen oder dem Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Es verbietet Benachteiligungen aufgrund von ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Alter, Behinderung und sexueller Identität.

Im Rahmen von Diskriminierungen in Behörden gilt das AGG jedoch nicht. Öffentliche Verwaltungen sind aber durch das Grundgesetz (insbesondere Art. 3 GG) verpflichtet, Gleichbehandlung und Diskriminierungsfreiheit zu gewährleisten.

Intervention und Ergebnis

Im Auftrag der ratsuchenden Person verfassten wir ein Beschwerdeschreiben an die zuständige Behörde. Darin forderten wir eine schriftliche Erläuterung zum aktuellen Bearbeitungsstand und eine Erklärung für die längere Wartezeit. Wir baten auch um eine detaillierte Information über die „intensive Prüfung“ und eine Erklärung, warum diese bei Antragsteller*innen aus Afghanistan länger dauere. Unsere Anfrage beinhaltete außerdem einen Verweis auf die erheblichen finanziellen Nachteile, die unser Ratsuchender und seine Familie aufgrund der Verzögerungen erlitten.

Im telefonischen Gespräch mit dem ADB konnte die Behörde keine sachlichen Gründe für die lange Wartezeit darlegen. Eine schriftliche Stellungnahme wurde durch die Behörde nicht verfasst. Die kontinuierliche Kontaktaufnahme und Aufforderungen um Stellungnahmen durch das ADB, führte zu dem Ergebnis, dass der Ratsuchende einen zeitnahen Termin bei der Behörde bekam. Der Tatbestand einer möglichen Diskriminierung konnte bis zuletzt, aufgrund fehlender Stellungnahme der Behörde, nicht aufgeklärt werden.

Kommentar

Der Fall zeigt auf, dass im Umgang mit Behörden kein ausreichender Diskriminierungsschutz besteht, da sie nicht in den Geltungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) fallen. Diese gesetzliche Lücke führt dazu, dass Betroffene oft keinen klaren Rechtsanspruch auf diskriminierungsfreie Behandlung in Verwaltungsprozessen haben. Für den Ratsuchenden war die Unterstützung durch das ADB Sachsen dennoch hilfreich, da er dadurch ein positives Ergebnis und einen schnellen Termin erreichen konnte. Ohne diese Intervention wäre sein Anliegen jedoch vermutlich weiterhin unbeachtet geblieben. Der Fall verdeutlicht einmal mehr die Notwendigkeit eines umfassenderen Diskriminierungsschutzes auch im behördlichen Bereich.