16. Mar 2022 • Allgemein 

Racial Profiling ist grund- und menschenrechtswidrig: Unser Redebeitrag zum Internationalen Tag gegen Polizeigewalt

Mikrophon

Gestern, am 15. März, war Internationaler Tag gegen Polizeigewalt. Als ADB Sachsen haben wir an einer Kundgebung in Dresden teilgenommen.
Hier finden Sie unseren Redebeitrag.

"Mehr Polizeipräsenz – so heißt es – bedeute mehr Sicherheit für die Bürger*innen. In unserer täglichen Beratungsarbeit beim Antidiskriminierungsbüro Sachsen erfahren wir immer wieder, dass diese Rechnung für viele Menschen nicht aufgeht. Im Gegenteil – für zahlreiche Schwarze Menschen und Personen of Color, Menschen ohne Papiere, Wohnungslose, Trans*, Inter-, nicht binäre und queere Personen, behinderte Menschen oder Menschen in psychischen Krisensituationen etwa bedeutet Polizeipräsenz leider nicht, dass sie sich sicherer fühlen können, sondern Unwohlsein oder pure Angst. Insbesondere die Menschen, die ohnehin schon Diskriminierung, alltägliche Anfeindungen und gewaltsame Übergriffe erleben, erfahren diese auch und gerade durch die sächsische Polizei.

Betroffene von Rassismus, zum Beispiel, berichten uns häufig von völlig anlasslosen Kontrollen. Das ist Racial Profiling und ist Grund- und Menschenrechtswidrig. Dennoch sind rassistische Polizeikontrollen zum Beispiel unter dem Deckmantel sogenannter „gefährlicher Orte“ an der Tagesordnung. Als gefährliche Orte werden besonders Plätze ausgewiesen, an denen sich viele migrantisierte Menschen, BPoC und Sexarbeiter*innen aufhalten. Polizeikontrollen können dort dann ohne jeglichen Verdacht durchgeführt werden. Hier in Dresden betrifft das z. B. den Scheunevorplatz, den Alaunplatz oder die Ecke Louisenstraße/Görlitzer Straße . Die dort kontrollierten Personen werden somit pauschal kriminalisiert. Für Passant*innen entsteht dabei häufig der Eindruck die kontrollierten Personen hätten etwas verbrochen. Rassistische Stereotype werden damit vermeintlich bestätigt und verfestigt. Das muss aufhören.

Ratsuchende erzählen uns häufig auch von polizeilichem Fehlverhalten, wenn sie selbst die Polizei rufen, weil sie Diskriminierung, Bedrohung oder physische Gewalt erfahren. Betroffene berichten, dass die Polizei teils nicht erscheint, keine Anzeige aufnimmt, oder den Betroffenen nicht zuhört und glaubt. Wird eine migrantisierte Person von einer weißen deutschen Person verprügelt und ruft die Polizei, besteht die Gefahr, dass nur die weiße Person angehört wird. Nicht selten kommt es zu einer Täter-Opfer-Umkehr. Die eigentlich Betroffenen erhalten dann Anzeigen und / oder erleben zusätzlich Gewalt durch die Beamt*innen. Während die Täter*innen ungestraft davonkommen. Als Folge verlieren Betroffene häufig das Vertrauen in die Polizei, fühlen sich schutzlos und ohnmächtig. In einer Notsituation die Polizei rufen zu können und von dieser Hilfe zu bekommen, ist also ein Privileg. Menschen, die gesellschaftlich stark von Diskriminierung betroffen sind, haben dieses Privileg nicht. Gerade besonders Schutzbedürftige können sich also häufig nicht auf polizeilichen Schutz verlassen. Alle Menschen haben das Recht auf Schutz und körperliche Unversehrtheit. Wir wollen eine Gesellschaft, in der sich alle Menschen sicher fühlen können!

Viele Betroffene haben Angst sich gegen Diskriminierung und Gewaltanwendung durch die Polizei zu wehren. Diese Angst ist nicht unberechtigt. Auch wir raten häufig nicht zu einer Anzeige oder Dienstaufsichtsbeschwerde, da die Gefahr von Repression gegen die Betroffenen zu groß ist. Insbesondere dann, wenn deren Aufenthalt nicht dauerhaft gesichert ist. Während Polizist*innen immer zu mehreren sind und ihre Aussagen gegenseitig bestätigen können, stehen die Betroffenen oft alleine da. Deswegen bleibt stehen, wenn ihr solche Situationen mitbekommt und sprecht die Betroffenen im Nachhinein an, Zeug*innen sind wichtig!

Um Betroffene vor Diskriminierung durch die Polizei zu schützen, gilt es Lücken im Diskriminierungsschutz schnellstmöglich zu schließen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – die zentrale rechtliche Grundlage der Antidiskriminierungsarbeit, gilt im öffentlich-rechtlichen Bereich nicht und bietet also keinen Schutz vor Diskriminierung durch Behörden wie der Polizei. Als erstes Bundesland hat Berlin 2020 ein Landesantidiskriminierungsgesetz verabschiedet, welches diese Schutzlücken schließt und auch bei Diskriminierung durch die Polizei anwendbar ist.

Wir fordern deshalb

  • Auch für Sachsen ein Landesantidiskriminierungsgesetz nach Berliner Vorbild
  • Außerdem fordern wir ein sofortiges Ende von Diskriminierung und Gewalt durch sächsische Polizeibeamt*innen
  • Eine Kennzeichnungspflicht, die eine eindeutige Identifizierung der Beamt*innen ermöglicht
  • Die Einführung einer Kontrollbescheinigung, auf der der Anlass der Polizeikontrolle festgehalten wird
  • Und nicht zuletzt ein wirksames Konzept gegen Diskriminierung durch Polizeibeamt*innen und entschiedene Maßnahmen im Fall von polizeilichem Fehlverhalten"

(gehalten am 15.03.2022, Dresden)

Bildnachweis: Photo by Grzegorz Rakowski on Unsplash