Der Fall
Ein Ratsuchender wurde während seiner Tätigkeit für eine Handwerksfirma aufgrund seiner Hautfarbe häufig zur Zielscheibe rassistischer Beschimpfungen und Beleidigungen durch Kolleg*innen. Regelmäßig wurde er mit dem N-Wort angesprochen. Als er erwiderte, er wolle so nicht angesprochen werden und solche rassistischen Beleidigungen seien in Deutschland verboten, steigerten sich die Aggressionen in einem bedrohlichen Ausmaß, vor allem seitens eines bestimmten Kollegen.
Der Ratsuchende bat seinen Vorgesetzten um Unterstützung. Dieser trennte ihn von dem Kollegen. Da dieser aber nicht der Einzige im Betrieb war, der rassistisch handelte, sondern auch andere Kollegen, reichte diese Maßnahme nicht aus, um den Ratsuchenden vor den rassistischen Belästigungen zu schützen.
Rechtliche Einordnung
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist rassistische Diskriminierung am Arbeitsplatz verboten (§ 7 AGG). Arbeitgeber*innen sind verpflichtet, Beschäftigte vor Diskriminierungen zu schützen. Diese Pflichten reichen von präventiven Vorkehrungen über Sofortmaßnahmen bis hin zu allgemeinen organisatorischen Pflichten. Wenn sie diesen Pflichten nicht nachkommen, können betroffene Beschäftigte gegen die arbeitgebende Seite Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche geltend machen.
Im vorliegendem Fall wäre demnach der Vorgesetzte, der gleichzeitig der Arbeitgeber ist, nach dem AGG verpflichtet gewesen, seinen Mitarbeiter vor den Belästigungen seiner Kollegen effektiv zu schützen, indem er entsprechende Maßnahmen gegen diese Kollegen ergreift. Dieser Pflicht kam er nicht nach.
Intervention/Ergebnis
Im Auftrag unseres Klienten richteten wir einen Beschwerdebrief an den Arbeitgeber. In dem Brief wiesen wir ihn auf seine Arbeitgeber*innenpflichten nach dem AGG hin und forderten ihn auf, diesen Pflichten nachzukommen. Wir brachten ebenfalls die ausdrückliche Gesprächsbereitschaft unseres Klienten zum Ausdruck. Gleichzeitig machten wir in dem Brief vorsorglich und fristwahrend die Ansprüche des Ratsuchenden auf Schadensersatz und Entschädigung nach dem AGG geltend. Im AGG ist festgehalten, dass Betroffene von Diskriminierung nur zwei Monate nach dem diskriminierenden Vorfall Zeit haben, der Gegenseite anzuzeigen, dass sie eventuell klagen werden. Verstreicht diese Frist, ist eine Klage nicht mehr möglich.
Bedauerlicherweise reagierte der Arbeitgeber auf diesen Brief nicht mit einem Einlenken, sondern übermittelte unserem Klienten die Kündigung.
Der Klient reichte daraufhin eine Kündigungsschutzklage ein und machte gleichzeitig seine AGG-Ansprüche geltend. Außergerichtlich einigten er und sein ehemaliger Arbeitgeber sich auf die Zahlung von 2000,- € (1000,- € Sozialabfindung und 1000,- € Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG).
Kommentar
Leider ist ein solches Ergebnis nicht auszuschließen, wenn eine Person, die in einem Betrieb von Diskriminierung betroffen ist, sich zur Wehr setzt. Es ist kein Einzelfall, dass die Person, die sich zur Wehr setzt, dann weitere, negative Reaktionen bis hin zur Kündigung erfährt.
In unserem Beispiel war die Situation bereits sehr eskaliert, als der Betroffene bei uns Unterstützung nachgefragt hat. Unsere Erfahrung zeigt: Je eher sich Betroffene an uns wenden, desto höher sind die Chancen durch eine Intervention eine gute Lösung zu finden, sodass z.B. Betroffene weiter an ihrem Arbeitsplatz arbeiten können, ohne weiterhin Diskriminierungen ausgesetzt zu sein.
Es kommt jedoch auch vor, dass betroffene Beschäftigte nicht mehr in einem solchen Klima weiterarbeiten möchten. Auch dann unterstützen wir sie dabei, sich aus dem diskriminierenden Arbeitskontext zu lösen und ihre Rechte durchzusetzen.
Unter der Rubrik „Aus unserer Arbeit“ veröffentlichen wir in regelmäßigen Abständen anonymisierte Fälle aus unserer Beratungsarbeit als Einblick in die Antidiskriminierungsberatung in Sachsen.
Weitere Fälle finden Sie hier (wird fortlaufend aktualisiert).