"Behinderung und Ableismus" von Andrea Schöne - ein Buch "zum Nachdenken, zum Streiten, zum Weiterdenken und Entdecken"
Am 23. Mai 2023 haben wir gemeinsam mit der Stadt Leipzig, Referat Beauftragte für Senioren und Menschen mit Behinderungen, in das Museum der bildenden Künste zur Lesung mit Andrea Schöne eingeladen.
Andrea Schöne hat ein Buch über Behinderung und Ableismus geschrieben. Es ist eines der ersten deutschsprachigen Bücher dazu überhaupt. Es ist – wie die Autorin in der Einleitung sagte – ein Buch „zum Nachdenken, zum Streiten, zum Weiterdenken und Entdecken“.
Die Lesung war mit rund 80 Personen sehr gut besucht. Sie wurde in Deutsche Gebärdensprache und Leichte Sprache übertragen und durch Schriftdolmetschung ergänzt.
Ableismus?
Ableismus kommt vom englischsprachigen Wort able. Es bedeutet: Bereiche unseres Lebens sind so eingerichtet, dass sie nur durch Menschen ohne Behinderung genutzt werden können. Menschen mit Behinderung erfahren darin eine Abwertung ihrer Fähigkeiten. Zum Beispiel, weil es ihnen nicht möglich ist, Treppenstufen zu benutzen. Menschen, die nicht von Ableismus betroffen sind, fällt es in der Regel kaum auf, weil sie daran gewöhnt sind, dass es z. B. überall Treppenstufen gibt und sie auch problemlos in Gebäude hineinkommen.
Ableismus und Gewalt
Ableismus kann tödliche Konsequenzen haben, auch das war Thema der Lesung. So zum Beispiel, wenn bei Rettungsmaßnahmen im Rahmen von Naturkatastrophen nicht an die Situation von Menschen mit Behinderung gedacht wird. Oder wenn, wie in Potsdam in 2021, ein Pflegekraft vier Menschen in einer Einrichtung ermordet.
Diese Gewalt findet auch Ausdruck in Sprache. Zum Beispiel, wenn nach wie vor in Geschichtsschreibung und Journalismus der NS-Begriff „Euthanasie“ unreflektiert genutzt wird. Oder wenn die Pflegekraft aus Potsdam durch die Medien wiederholt als „überlastet“ dargestellt wird, sich dadurch der Fokus von der behindertenfeindlichen Gewalt weg verschiebt und die Stimmen der Einwohner*innen der Einrichtung in der Aufarbeitung des Falles nicht gehört werden.
Mikroaggressionen
Mehrere Kapitel ihres Buches hat Andrea Schöne dem Thema Mikroaggressionen gewidmet. Mikroaggressionen sind subtile Kränkungen im Alltag, die Betroffene kontinuierlich erfahren. Jedoch von Außenstehenden kaum wahrgenommen werden. Zum Beispiel, wenn Menschen mit Behinderung durch ihnen unbekannte Personen automatisch geduzt werden. Oder in alltäglichen Situationen auf ihre Behinderung angesprochen und ausgefragt werden.
Praxisteil: Wie werde ich ein*e Verbündete*r?
Der Praxisteil des Buches dreht sich um das Thema: Welche Privilegien haben Menschen ohne Behinderung bzw. chronischer Erkrankung? Wie kann ich mich damit auseinandersetzen? Und wie kann ich Ally – also Verbündete*r – werden?
Tipps, die Andrea Schöne im Rahmen der Lesung gegeben hat, sind zum Beispiel:
- Sich selbst im Hintergrund halten
- Bei Veranstaltungen z.B. nicht Sprecher*in sein, sondern eher den Support übernehmen – z.B. Technik, Barrierefreiheit, Versorgung
- Barrierefreiheit von Veranstaltungen, Arbeitsplätzen etc. organisieren und auch finanzieren; ggf. dafür Drittmittel einwerben
- Beiträge von Journalist*innen, Blogger*innen, Influencer*innen mit Behinderung teilen, um so für eine gute Reichweite ihrer Stimmen zu sorgen
- Barrierefreiheit bei allen Themen mitdenken, nicht nur bei Lesungen zu Behinderung
Weiterführende Links
- Sie finden Andrea Schöne z. B. auf Twitter (@SchoeneAndrea) und auf LinkedIn.
- Hier finden Sie ihr Buch auf der Seite des Unrast-Verlages.
- Im Kreuzer-Stadtmagazin ist am 25. Mai 2023 ein Interview mit Andrea Schöne erschienen.