Testing: Rassistische Diskriminierung auf dem sächsischen Wohnungsmarkt

Menschen mit Migrationserfahrung und Geflüchtete erleben bei der Wohnungssuche und -vergabe in Sachsen rassistische Diskriminierung. Das geht aus dem Abschlussbericht eines Testings hervor, welches wir im November 2016 durchgeführt haben. Die durchgeführte Erhebung ist sachsenweit einzigartig.

Mit dem Testing verfolgte das ADB das Ziel, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt – konkret beim Zugang zu Wohnraum – sichtbar und belegbar zu machen. Mit einem deutlichen Ergebnis: In 60% der Fälle lag eine klare Diskriminierung vor, 22,5% waren nicht auswertbar und lediglich 17,5% der Fälle waren keine Diskriminierung. Somit haben die Wohnungsanbieter*innen in über der Hälfte der Fälle diskriminiert.

Was ist ein Testing?

Das Testing ist ein Instrument der Antidiskriminierungsarbeit, um verdeckte Diskriminierung sichtbar zu machen. Dabei begeben sich mindestens zwei in allen wesentlichen, entscheidungsrelevanten Merkmalen möglichst vergleichbare Personen in dieselbe Situation. Sie unterscheiden sich lediglich in einem diskriminierungsrelevanten Merkmal. 

Wie ging das ADB beim Testing vor?

Im vorliegendem Testing entwickelte das ADB eigens zwei verschiedene Testidentitäten und eine Vergleichsidentität: eine geflüchtete Person mit dreijährigem Aufenthaltsstatus, eine hauptamtlich tätige Flüchtlingssozialarbeiterin, die auf der Wohnungssuche für Klient*innen war, und eine mehrheitsdeutsche Person als Vergleichsidentität. 

Alle drei kontaktierten dieselben 50 Wohnraumangebote innerhalb kurzer Zeitabstände. Dabei wurden sowohl private Angebote als auch Wohnungsgenossenschaften einbezogen. 40 Wohnraumangebote konnten in die Auswertung einfließen.

Die Ergebnisse: Diskriminierung in 60 % der Fälle

Der direkte Vergleich zeigt: 

  • Die Wohnungsgesuche der Testidentitäten wurden überdurchschnittlich häufig abgewiesen.
  • Die Vergleichsidentität der mehrheitsdeutschen Person wiederum erhielt in allen Fällen, in denen die geflüchtete Person bzw. die Flüchtlingssozialarbeiterin zurückgewiesen wurde, einen Termin zur Wohnungsbesichtigung für dieselben, angefragten Wohnungen. 
  • Die Fälle der Schlechterbehandlung der Testidentitäten gegenüber der mehrheitsdeutschen Vergleichsidentität umfassen z. B. offene Ausschlüsse wie „Der Eigentümer möchte keine Ausländer“, Alibi Aussagen wie „die Wohnung ist schon vergeben“, das Aufschieben eines Besichtigungstermins oder das Auferlegen zusätzlicher Hürden. 

Insgesamt fand bei 40 ausgewerteten Wohnungsanfragen in 60 % der Fälle eine Diskriminierung statt (in absoluten Zahlen: Diskriminierungsfälle: 24, keine Diskriminierungsfälle: 7, nicht auswertbare Fälle: 9).

Beratung für Betroffene im ADB

Die durchgeführte Erhebung deckt sich mit den Erfahrungen, die das ADB im Rahmen seiner langjährigen Beratung dokumentiert und analysiert hat. So hat das ADB allein im zweiten Halbjahr 2016 über 50 Fälle von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt – zusätzlich zum Testing – dokumentiert. Diese Häufung von Fällen in der Beratungsarbeit ist zugleich Anlass zur Entwicklung und Durchführung des Testings gewesen.

Das Testing macht deutlich: Rassistische Diskriminierung ist kein individuelles Problem und Betroffene haben das Recht, sich gegen Diskriminierung zu wehren. Gerne unterstützen wir dabei. 

Veröffentlichung der Ergebnisse

Hintergrund und Ergebnisse des Testings präsentierte das ADB der Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz am 19. Oktober 2017.
Aus dem Testing ist die Publikation „Rassistische Diskriminierung auf dem sächsischen Wohnungsmarkt – Situationsbeschreibung & Handlungsempfehlungen“ hervorgegangen, die Sie bei uns bestellen können.