7. Dez 2020 • Allgemein 

Landgericht fordert Ergänzung der Geschlechtsangabe bei der Deutschen Bahn

Quelle: Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG)

Pressemitteilung des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG)

Am Donnerstag, dem 03.12.2020, verkündete das Landgericht Frankfurt/M. ein Urteil bezüglich der Diskriminierung einer nicht-binären trans* Person. Die klagende Person, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnet, hatte über die Webseite der Deutschen Bahn (DB) eine Fahrtkarte gekauft. Diese ermöglicht nur eine weibliche oder männliche Registrierung und verhindert es die Fahrkarte zu buchen, wenn man sich nicht einem der beiden Geschlechter zuordnet. Das Gericht hat die Praxis in seinem Urteil als Persönlichkeitsrechtsverletzung eingestuft, sieht jedoch keine Diskriminierung.

Am 16. Oktober 2019 wollte die klagende Person, die eine nicht-binäre Geschlechtsidentität besitzt und sich sowohl im sozialen Kontext, als auch im beruflichen und sonstigen Rechtsverkehr als Person ohne männliches oder weibliches Geschlecht empfindet, eine Fahrtkarte von Berlin nach Braunschweig auf der Webseite der DB buchen. Sie legte Klage wegen Diskriminierung ein.

In der sogenannten Dritten-Option-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16) bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) die geschlechtliche Identität schützt. Es erweitert den Schutzradius vor Geschlechtsdiskriminierungen (nach Art. 3 Abs. 3 GG) indem explizit klargestellt wird, dass dies auch für geschlechtliche Identitäten jenseits von männlich und weiblich gilt. Die Folge daraus ist, dass Anbieter*innen von Waren oder Dienstleistungen ihre Webseiten und die daran anknüpfenden Datensätze wie Bestellbestätigungen, Rechnungen oder Versandmitteilungen im Kund*innenkontakt entsprechend anpassen müssten. Die Lösung wäre neben der Registrierung der männlichen und weiblichen Ansprache zwei weitere Optionen anzubieten. Eine sollte eine positive dritte Option (wie divers) anbieten. Eine weitere sollte den Geschäftskontakt, ohne eine Geschlechtsangabe anzugeben, ermöglichen.

Im Nachgang zur Verhandlung, die am 24.09.2020 stattgefunden hatte, wurde gestern das Urteil verkündet. Die Urteilsbegründung steht noch aus. Das Gericht entschied in seinem Urteil (Az. 2-13 O 131/20) der klagenden Person teilweise Recht zu geben. Die Person könne von einem Eisenbahnunternehmen verlangen bei der Nutzung des Angebotes nicht zwingend die männliche oder weibliche Anrede angeben zu müssen. Eine Entschädigung wies das Gericht jedoch zurück, da nach seiner Einschätzung ein Anspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht gegeben sei.

Die klagende Person René_ Rain Hornstein äußerte: „Die Anerkennung des Gerichtes, eine geschlechtsneutrale Ansprache nun im Kund*innenkontakt verlangen zu können, begrüße ich. Dennoch ignoriert das Gerichtsurteil die Schwere der alltäglich gemachten Diskriminierungserfahrungen von trans* und nicht-binären Personen.“

Die vertretende Anwältin Friederike Boll äußerte: „Dass das Verhalten der DB keine Diskriminierung im Sinne des AGG darstellen soll, entspricht nicht unserer Rechtsauffassung. Das Vorkommnis wird regelmäßig und wiederholt von trans* und nicht-binären Personen erlebt und ist keine Lappalie.“

Das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG), das die Klage als Beistand begleitet, sieht das Urteil kritisch. Die Geschäftsführerin Vera Egenberger schätzt ein: „Eine Diskriminierung im Sinne des AGG ist auch dann gegeben, wenn keine Absicht oder Böswilligkeit vorliegt. Ein Berufungsgericht wird prüfen, ob dieses Urteil Bestand hat.“

Seit 2019 werden vermehrt Beschwerden und Klagen, mit der Unterstützung des BUG, bei Beschwerdestellen und Gerichten vorgelegt. Dies zielt darauf ab die geltende Rechtsprechung, konkret die Möglichkeit neben der männlichen und weiblichen Ansprache, auch eine geschlechtsneutrale Ansprache bei Online-Kund*innenkontakten zu ermöglichen, durchzusetzen.

Kontakt

Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG)
Vera Egenberger
Telefon: 01577 522 17 83

Ein Kontakt zur klagenden Person kann hergestellt werden.