9. Mär 2016 • Pressemitteilung 

Diskriminierung in Sachsen in den Blick nehmen

Antidiskriminierung als Teil einer gelebten Willkommenskultur strukturell stärken

Das Antidiskriminierungsbüro Sachsen (ADB) nimmt Bezug auf die Sondersitzung des sächsischen Kabinetts vom 04. März 2016 und fordert die Landesregierung auf, ein landesweites Beratungsangebot für Betroffene von Diskriminierung zu unterstützen.

  • Riesa: Mehrere lokale Fitnesstudios weigern sich, zwei Asylsuchende als Mitglieder aufzunehmen. In der Vergangenheit hätte es schlechte Erfahrungen gegeben.
  • Erzgebirgskreis: Die lokale Sparkasse knüpft die Eröffnung eines Kontos für Geflüchtete an den Nachweis eines Arbeits- oder Mietvertrages.
  • Chemnitz: Flüchtlingssozialarbeiter_innen berichten, dass Arztpraxen angeben, keine freien Termine mehr zu haben, wenn sie einen Praxisbesuch für Geflüchtete vereinbaren wollen. Rufen sie hingegen für "eine Freundin" oder "einen Freund" an, sind Termine verfügbar.
  • Leipzig: Eine Wohnungsvermietung gibt auf Anfrage eines wohnungssuchenden Migranten die Auskunft, dass sie nur noch an Menschen vermiete, die gut deutsch sprechen.

Diese exemplarischen Fälle aus der jüngeren Vergangenheit geben einen kleinen Einblick in die Situation von Migrant_innen und besonders auch Geflüchteten in Sachsen. In der aktuellen Diskussion, die berechtigt auf Möglichkeiten der Gestaltung der Aufnahme und Integration von Geflüchteten aber auch den Umgang mit rassistischen Mobilisierungen fokussiert, muss Diskriminierung als Thema klarer als bislang adressiert werden. In der Umsetzung reicht es nicht, nur einen starken Staat zu fordern, es braucht auch eine arbeitsfähige und starke zivilgesellschaftliche Landschaft.

Diskriminierung ist für viele Betroffene eine Alltagserfahrung, die sie in ihrer Würde verletzt und von einem Ankommen und einer Teilhabe faktisch ausschließt. Das Recht auf Gleichbehandlung ist zentraler Bestandteil einer Willkommenskultur und muss in konkreten Situation und im Alltag behauptet werden.“ beschreibt Sotiria Midelia, Geschäftsführerin des ADB Sachsen, die Lage. „Betroffene aber auch Fachkräfte und ehrenamtliche Helfer_innen finden noch nicht die Unterstützung und Beratung, die sie brauchen. Hier ist die Landespolitik gefragt.“

Deshalb fordert das ADB Sachsen die Landesregierung auf, Maßnahmen für einen effektiven Diskriminierungsschutz umzusetzen. Dabei beruft es sich auch auf den Koalitionsvertrag. Ein erster konkreter Schritt ist es, ein sachsenweites qualifiziertes Beratungsangebot für Betroffene von Diskriminierung zu unterstützen. „Die aktuelle Situation ist prekär. Das Beratungsangebot des ADB Sachsen wird zur Zeit nur von der Stadt Leipzig gefördert und ist deshalb auf die Kommune begrenzt. Wir erhalten kontinuierlich Anfragen aus ganz Sachsen. Der Bedarf ist da, aber uns fehlen die personellen Kapazitäten. Wir brauchen die Unterstützung des Landes,“ fasst Iris Fischer-Bach, Beraterin im Antidiskriminierungsbüro zusammen.

Im Rahmen einer Studie zum Umgang mit Diskriminierungserfahrungen in der migrationsbezogenen Beratung[nbsp]hat das ADB Sachsen 2014 festgestellt: die Regelunterstützungsangebote wie Migrationsberatung und Flüchtlingssozialarbeit können das Thema Diskriminierung nicht allein bewältigen. Den Berater_innen fehlen sowohl die dafür notwendigen Ressourcen als auch die spezifischen rechtlichen und außergerichtlichen Handlungskompetenzen, um fachlich umfassend wirksam werden zu können. Sie sind wichtige Anlaufstellen für die Erst- und Verweisberatung. Ihre Arbeit muss aber ergänzt werden durch ein spezialisiertes Beratungsangebot, das:

  • Betroffene in konkreten Diskriminierungsfällen unterstützt und begleitet
  • eng mit existierenden Beratungs- und Unterstützungsstrukturen zusammenarbeitet und diesen als Kompetenzstelle und Verweismöglichkeit dient
  • fallübergreifend an Strukturen und institutionellen Formen von Diskriminierung arbeitet
  • Weiterbildungen/ Sensibilisierungen von Berater_innen und Unterstützer_innen aber auch von diskriminierungsverantwortlichen Strukturen anbietet.

Ein entsprechendes Konzept, das auf der nunmehr 11 jährigen Beratungsarbeit des ADB fußt, liegt dem sächsischen Ministerium für Gleichstellung und Integration vor. Wir hoffen, dass es Berücksichtigung finden wird,“ sagt Frau Midelia.

Kontakt

Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V.
Sotiria Midelia
Tel.: 0341/ 30 39 492
Mail: sotiria.midelia@adb-sachsen.de